Was ist Community – und was nicht?

„Wir haben eine riesige Community, mit der wir das teilen können“

Dieser Satz fällt inzwischen in fast jedem zweiten Meeting, ob bei Start-ups, Städten oder Kreativprojekten. Stolz wird von der „großen Community“ erzählt, die man angeblich hat. Doch was genau ist damit eigentlich gemeint? Und was wird oft fälschlich als Community bezeichnet?

Das Wort „Community“ wird heute inflationär benutzt, aber wer sich ernsthaft mit Community Building beschäftigt, kommt nicht darum herum, diese Unterscheidung klar zu treffen – nicht nur aus strategischen, sondern auch aus ethischen Gründen.

Community ist mehr als eine Audience

Eine Community besteht nicht einfach aus einer Gruppe von Menschen, die einem folgen oder gelegentlich konsumieren, was man ihnen bietet. Wer eine E-Mail-Liste betreibt oder eine hohe Zahl an Followern hat, hat zunächst nur eine Audience. Diese Menschen sind nicht miteinander verbunden, sondern in erster Linie an dich oder deine Organisation angebunden.

Der zentrale Unterschied: In einer Community existieren Beziehungen unter den Mitgliedern. Community bedeutet Verbindung, Interaktion, Verantwortung – zwischen Menschen, nicht nur zwischen Absender und Empfänger.

Eine Community ist eine Gruppe von Menschen mit gemeinsamen Interessen, Werten und einer gemeinsamen Identität. Im Mittelpunkt stehen aktiver Austausch, Dialog, Mitgestaltung und gegenseitige Unterstützung. Eine Community hat immer einen Zweck, einen Grund, einen Purpose.

Community bedeutet Mitgestaltung, nicht bloße Teilnahme

In einer echten Community haben Mitglieder die Möglichkeit, mitzudenken, mitzubauen und mitzuprägen. Die Community ist nicht nur für sie da, sondern entsteht mit ihnen. Das bedeutet nicht, dass alle alles entscheiden – aber es bedeutet, dass Strukturen geschaffen werden, in denen Stimmen gehört und Beiträge ernst genommen werden.

Wer nur Events plant und Informationen sendet, ohne Rückkanäle zu schaffen oder Feedback zuzulassen, baut keine Community auf – sondern ein Programm. Daran ist nichts falsch, aber es sollte klar benannt werden.

Der wichtigste Faktor: Es gibt immer einige besonders leidenschaftliche Menschen, die die Community vorantreiben. Ohne diese Champions funktioniert keine Community langfristig.

Community ist ein Beziehungsraum, kein Service

Ein weiterer Trugschluss: Eine Community ist kein Produkt mit garantierter Leistung oder Nutzenversprechen. Community lebt von wechselseitigem Engagement. Es gibt keine Garantie für Aufmerksamkeit, keine standardisierte Journey, keinen skalierbaren Funnel. Vielmehr braucht sie Vertrauen, Verbindlichkeit und Pflege.

Für Organisationen bedeutet das: Community ist kein effizienter Distributionskanal – sondern eine komplexe soziale Struktur. Der „Return on Community“ lässt sich nicht wie der „Return on Ads“ messen – und das ist auch gut so.

Was ist also KEINE Community?

Dein Instagram-Kanal ist keine Community – auch wenn du 10.000 Follower hast. Follower konsumieren hauptsächlich deinen Content, ohne miteinander zu interagieren.

Dein Newsletter ist keine Community – es sei denn, du nutzt Plattformen wie Substack, wo Leser miteinander interagieren können.

Deine Facebook-Seite ist keine Community – eine Seite ist ein Broadcast-Medium. Eine Facebook-Gruppe kann eine Community werden, wenn echter Austausch stattfindet.

Dein Influencer-Programm ist keine Community – hier geht es primär um Marketing und Reichweite, nicht um echte Verbindungen.

Community ist kein Selbstzweck

Eine Community zu gründen, weil es gerade alle tun, ist keine gute Idee. Community Building ist langfristig, arbeitsintensiv und oft widersprüchlich. Es funktioniert nur, wenn die Ziele klar sind und der Raum mit Absicht gestaltet wird. Es braucht einen Purpose, der über reine Nutzerbindung hinausgeht – sei es ein gemeinsames Interesse, ein gesellschaftliches Anliegen oder ein kollektives Ziel.

Ohne diese gemeinsame Klammer bleibt der Begriff Community bloß Fassade. Dann wird sie zur verlängerten Marketingmaßnahme – und verliert genau das, was sie ausmacht: Bedeutung.

Drei Beispiele echter Communities

Creative Mornings zeigt, wie es funktioniert: Diese monatlichen Frühstücksvorträge finden inzwischen in fast 250 Städten in über 70 Ländern weltweit statt. Kreative aller Bereiche kommen zusammen, hören einen kurzen spannenden Vortrag, trinken einen Kaffee, vernetzen sich und gehen dann inspiriert zur Arbeit.

Gegründet wurde Creative Mornings von Tina Roth Eisenberg, weil die Schweizerin in New York damals keine Events fand für Leute wie sie. Innerhalb von wenigen Jahren wuchs Creative Morning von wenigen Städten auf hunderte Städte weltweit an. Heute sponsern Unternehmen wie Mailchimp oder Adobe die Events.

Women in Music und ähnliche Communities bieten nicht nur sichere Räume, wo Frauen ohne Mansplaining lernen können, wie man Musik produziert. Ein wesentlicher Aspekt ist die gegenseitige Unterstützung bei der Sichtbarkeit – sie helfen sich gegenseitig an Gigs zu kommen, feiern gemeinsam Erfolge und schaffen Plattformen für Künstlerinnen.

Patreon ermöglicht es Kreativen wie Vincent Schwenk oder Judith Holofernes, direkt von ihrer Community finanziell unterstützt zu werden. Die Fans bekommen exklusiven Content, während die Kreativen stabile Einnahmen generieren und unabhängiger arbeiten können.

People come for a reason (typically to solve a problem) but stay for the community.
— Anne Miltenburg, Designerin und Gründerin von Brand The Change

Menschen kommen oft wegen eines konkreten Grundes zur Community – sie wollen etwas lernen, sich vernetzen oder Zugang zu Jobs haben. Aber sie bleiben, weil sie inspirierende Menschen treffen, sich gesehen fühlen oder ähnliche Werte teilen.

Woran du erkennst, ob du wirklich eine Community baust

Du kannst dir folgende Fragen stellen, um zu prüfen, ob du eine echte Community aufbaust oder nur in Community-Sprache kommunizierst:

Können sich Mitglieder untereinander kennenlernen, austauschen oder unterstützen?

  • Gibt es Räume oder Formate, die auf gegenseitiges Engagement ausgelegt sind?

  • Haben Mitglieder Einfluss auf Inhalte, Prozesse oder Entscheidungen?

  • Wird klar benannt, wofür die Community da ist – und für wen?

Wenn du mehrere dieser Fragen mit Ja beantworten kannst, bist du auf einem guten Weg. Falls nicht, lohnt sich ein zweiter Blick: Vielleicht willst du (noch) keine Community aufbauen – und das ist völlig legitim. Entscheidend ist, dass du es nicht behauptest.

Was Communities wirklich braucht – und was nicht

Brands don't build communities, people do. Unternehmen oder Kreative schaffen nur den Rahmen und unterstützen – die eigentliche Community lebt durch ihre Mitglieder.

Eine Community funktioniert nur, wenn Menschen sich authentisch begegnen, sich gegenseitig helfen und gemeinsam etwas erschaffen. Das ist mehr als Marketing, das ist echter menschlicher Austausch. Entscheidend ist, dass du ehrlich benennst, was du aufbaust – und was nicht.

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Warum es sich lohnt, eine Community aufzubauen